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Pressemitteilung vom 23.02.2007

Bessere Vernetzung der Strukturen in der Versorgung von Menschen in Notfallsituationen

DRK und Oberbürgermeister Bernhard J. Deubig initiieren "Runden Tisch" mit Fachleuten.

Psychosoziale Notlagen haben aufgrund demografischer und gesellschaftlicher Entwicklungen deutlich zugenommen. Auch in Kaiserslautern stoßen bestehende Einrichtungen der so genannten Gefahrenabwehr, wie Rettungsdienste, Feuerwehr und das städtische Referat Recht und Ordnung bei ihren Einsätzen aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen und/oder fehlender Ausbildung an Ihre Grenzen. Eine erneute Diskussion in Kaiserslautern wurde durch einen konkreten Vorfall, den Tod einer allein lebenden 70-jährigen Frau in ihrer Wohnung ausgelöst, der erst Tage später entdeckt wurde.

Tage zuvor, am 24. Dezember, waren von Nachbarn der Rettungsdienst und die Feuerwehr gerufen worden, die die Frau in krankem Zustand, aufgeräumter Wohnung und im Vollbesitz ihrer Geisteskräfte antrafen. Die 70-Jährige verweigerte weitere Hilfeleistungen. Am Anfang des Jahres 2007 alarmierte das Ordnungsamt, vermutlich durch Nachbarn verständigt, erneut die Feuerwehr zur Wohnungsöffnung. Die Patientin, die, wie sich später herausstellte, an einem unheilbaren Tumor erkrankt war, wurde leblos in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Nachbarn wandten sich an die Presse.

Der geschilderte Fall, der beispielgebend für die schwierige Situation der Hilfe leistenden Institutionen ist, war Anlass für den Mitte Februar von Anton Verschaeren, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Kaiserslautern und Oberbürgermeister Bernhard J. Deubig veranstalteten "Runden Tisch" im Sitzungssaal des 20. Obergeschosses des Rathauses. Teilgenommen hatten 19 von 26 eingeladenen Fachleuten, die innerhalb von Behörden (Stadt,- und Kreisverwaltung, Polizeipräsidium Westpfalz) und Institutionen (u.a. DRK, ASB Kaiserslautern, Pfalzklinikum Kaiserslautern) mit der Versorgung von Menschen in Notsituationen betraut sind. Die Moderation der Veranstaltung oblag Dr. Thomas Luiz, dem ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes, Kreisverwaltung Kaiserslautern.

Zu den verschiedenen Problemfeldern wurden Fachreferate gehalten. Aus der Sicht des Rettungsdienstes berichtete Dr. Thomas Luiz: Die Anzahl an Rettungsdiensteinsätzen habe in Rheinland-Pfalz über 10 Jahre konstant zugenommen. Gleichzeitig habe sich das Spektrum deutlich verändert. "Es ist ein Rückgang an Einsätzen bei Verkehrsunfällen und internistischen Notfällen, gleichzeitig aber eine deutliche Zunahme an Einsätzen bei so genannten "psychosozialen Notsituationen" zu verzeichnen", so Luiz. Genaue Zahlen lägen jedoch nur für den Notarztdienst vor, der in Kaiserslautern bei 12 Prozent liege. Hilfseinsätze ohne Arztbeteiligung für diese Situationen werden auf bis zu 30 Prozent geschätzt. Hintergrund dieser bundesweit beobachteten Entwicklung seien gesellschaftliche und demographische Veränderungen, unter anderem die zunehmende Zahl alter und allein lebender Menschen, die steigende Anzahl Suchtkranker, aber auch die vermehrte Präsenz des Rettungsdienstes im öffentlichen Bewusstsein als flächendeckend verfügbare und jederzeit einsatzbereite Einrichtung. Schwerpunkte innerhalb der psychosozialen Notfälle seien vereinsamte alte Menschen, Pflegenotfälle, hilflose Personen, Verwahrlosung und Verelendung, Suchtproblematik zunehmend auch bei Jugendlichen sowie Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Kennzeichen der psychosozialen Notsituationen sei, dass entgegen der Meldung nur selten eine akute Vitalbedrohung bestehe und eine Klinikeinweisung oft nicht notwendig sei. Dennoch herrschten oft bedrückende soziale Verhältnisse. Die Hilfeleistung werde oft eingeschränkt durch die geringe Kooperationsfähigkeit oder -bereitschaft der Betroffenen. Die Hilfenanforderung erfolge oft nachts oder am Wochenende, in jedem Fall zu Zeiten, in denen andere Institutionen nicht verfügbar seien. "Retter und Helfer" seien in solchen Fällen mitunter selbst hilflos bzw. frustriert.

Patrice Huth, Direktor des Referates Recht und Ordnung, Stadtverwaltung Kaiserslautern, erläuterte, dass eine zwangsweise Unterbringung gemäß geltendem Recht auf wenige Ausnahmefälle beschränkt sei. Der sehr massive Eingriff in die persönlichen Rechte und Freiheit des Betroffenen beziehe sich auf Fälle einer konkreten Eigen- oder Fremdgefährdung und greife daher in den meisten Fällen nicht. "Persönliches Unglück oder Elend", so Huth, sei keine Indikation zum Einsatz dieser Rechtsmittel. Michael Ufer, Referat Brand- und Katastrophenschutz, legte die Rechtsgrundlagen zur Türöffnung durch die Feuerwehr gemäß Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz dar. Für einen Einsatz müsse eine gesicherte oder "vermutete" Gefahr, zum Beispiel eine verletzte oder hilflose Person vorliegen. Auch die Angehörigen der Feuerwehr seien häufig Zeuge sozialer Not. Die technische Hilfeleistung sei oftmals nicht die Lösung der zugrunde liegenden Probleme. Klaus Mayer, Gruppenleiter Rettungsdienst in der Integrierten Leitstelle (ILS) Kaiserslautern, referierte über die Bereitschaftsdienste weiterer medizinischer Einrichtungen: den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, den zahnärztlichen Notdienst, augenärztliche Notdienste und den Apothekennotdienst. Er verwies auf Lücken zwischen der Öffnung bzw. Schließung von Arztpraxen und dem Dienstbeginn des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes. Er bemängelte die dadurch zustande kommenden "unnötigen Fehleinsätze" des Rettungsdienstes. Die Leiterin der DRK Sozialstation, Tina Geib, benannte die Zuständigkeit der Sozialstation, die in der Behandlungspflege liege. In der Praxis müssten notgedrungen jedoch immer wieder Pflegenotfälle durch die Sozialstationen abgedeckt werden. Sie schilderte einen aktuellen Fall.

"Wir haben versucht eine Lösung für zukünftige Einsätze mit dieser Problemstellung zu skizzieren. Hierbei haben wir festgestellt, dass mit den betroffenen Behörden und Verbänden eine bessere Koordinierung erfolgen muss", so Verschaeren. Die in großer Zahl eingerichteten sozialen Dienste seien oft - insbesondere außerhalb der Geschäftszeiten - nicht zeitnah verfügbar. Um eine bessere Vernetzung der vorhandenen Strukturen zu erreichen, waren sich die eingeladenen Fachleute einig, dass neben einem in Form des "Sozialjokers" tätigen Freiwilligendienstes, der im häuslichen Bereich tätig werden könnte, ein zusätzlicher Bedarf nach einer fachlich-professionellen Hilfe bestehe. Dies gelte vor allem bei Einsätzen im öffentlichen Raum und bei Suchtkranken. Da in einem Teil der Fälle eine Zuständigkeit niedergelassener Ärzte gegeben sei, wird der Ärztliche Leiter Rettungsdienst die angesprochenen Lücken in der Dienstbereitschaft gegenüber der hierfür zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung thematisieren. Zur möglichen Finanzierung des "Sozialjokers" wolle der Oberbürgermeister an die Rheinpfalz-Aktion "Arm, Alt und Allein" sowie an die Stiftung Bürgerhospital herantreten. Auch die Freiwilligenagentur könne bei diesem Projekt eine wichtige Rolle einnehmen. Deubig kündigte einen weiteren Termin des "Runden Tisches" zum Thema für den März an.




Autor/in: Pressestelle

Kaiserslautern, 23.02.2007