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Oberbürgermeister Klaus Weichel sieht Urbanität gefährdet
Der Stadtrat hat sich in seiner erneuten Sondersitzung am 14. Juni dafür entscheiden, am eingelegten Widerspruch gegen die Haushaltsverfügung der ADD festzuhalten und im Falle eines erfolglosen Widerspruchs auch den Klageweg zu beschreiten. Dem Entschluss ging eine Expertenanhörung voraus. Im Stadtrat zu Gast waren Horst Meffert, Referent beim Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz sowie Jochen Hentschel, der als Anwalt bereits mehrere Kommunen vor Gericht in solchen Fragen vertreten hat. Am Ende entschied man sich erneut gegen eine von der ADD gewünschte Anhebung der Hebesätze der Grundsteuer B zur Kompensation der von der ADD beanstandeten Überziehung des Deckels der Freiwilligen Leistungen um rund 3,3 Millionen Euro. Vielmehr sollen weitere Steuererhebungsmöglichkeiten geprüft werden. Auch soll der Haushalt 2021 auf Einsparmöglichkeiten abgeklopft, entsprechend angepasst und dann dem Rat nochmals vorgelegt werden. Die haushaltsfreie Zeit geht damit weiter. Was das bedeutet, erklärt Oberbürgermeister Klaus Weichel.
Herr Weichel, „haushaltsfreie Zeit“: Was hat das zur Folge?
Solange wir keinen Haushalt haben, können wir keine Verpflichtungen eingehen. So einfach ist das. Wir dürfen im Moment nur Aufwendungen tätigen oder Auszahlungen leisten, zu denen wir rechtlich verpflichtet sind oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Salopp gesagt: Alles, was gegenüber dem alten Haushalt neu hinzukam und über die nackte Pflichterfüllung hinausgeht, ist uns verwehrt. Ich sehe die Urbanität dieser Stadt durch die Entscheidung des Rats als massiv gefährdet an.
Können Sie Beispiele für Projekte nennen, die nun nicht beginnen können?
Die Liste ist lang. Betroffen sind unter anderem das Programm „Restart Innenstadt“, das Sommerferienprogramm, die Sportförderung – das sind allein ca. 400.000 Euro –, Zuschüsse an die freie Kulturszene – ca. 100.000 Euro – und natürlich alle neuen Stellen in der Verwaltung. Der Stellenplan ist Teil des Haushalts und damit nicht umsetzbar im Moment. Alle darin enthaltenen neuen Stellen sind vorerst nicht zu besetzen. Das betrifft im großen Stil die Feuerwehr und unsere Kitas, aber auch zum Beispiel die Stelle des Citymanagers.
Dazu kommt eine ganze Reihe von Bauvorhaben, die nun nicht begonnen werden können, so wichtig sie auch sein mögen oder so sehr sie auch politisch gewünscht waren. Prominentes Beispiel sind die weiteren Maßnahmen der Neuen Stadtmitte. Der geplante zentrale Busbahnhof und der damit verbundene Umbau der Fruchthallstraße. Zusammengefasst ist das schlichtweg eine Katastrophe. Stillstand in vielen Bereichen.
Im aktuellen Haushalt müssen im Bereich der freiwilligen Ausgaben rund 3,3 Millionen Euro kompensiert werden, so die Verfügung der ADD. Wie soll das gehen?
Die ADD hat der Stadt in ihrer Verfügung eine Erhöhung der Grundsteuer B nahegelegt. Ich weiß, dass das in diesen schwierigen Zeiten keine leichte Kost ist, ich bin aber immer noch der Meinung, dass wir diesen Weg hätten gehen können. Die Erhöhung wäre allen zu Gute gekommen, weil eben die Freiwilligen Leistungen, um die es hier geht, allen zu Gute kommen. Unser kulturelles Angebot, unsere Freizeiteinrichtungen, Breitensport, usw.
Zumal man durch eine rückwirkende Erhöhung zum 1. Januar die Kompensation erreicht hätte. Dies wäre nur bis 30. Juni möglich gewesen. Der Rat hat sich aber zweimal dagegen entschieden, so dass dieser Zug nun abgefahren ist.
Nun gab es in der Sitzung verschiedene Vorschläge, wie man die fehlenden Millionen aufbringen könnte. Eine Erhöhung der Parkgebühren und der Vergnügungssteuer etwa. Auch die „Rasenmähermethode“ wurde immer genannt, d.h. man würde den Etat jedes städtischen Referats um einen festen Prozentsatz einkürzen. Wie stehen Sie dazu?
Die meisten Vorschläge sind leider unrealistisch, wenig praktikabel und nicht nachhaltig. Sei es, weil sie in der Umsetzung viel zu lange dauern – das gilt etwa für die von den Grünen vorgeschlagene Neugestaltung der Parkraumbewirtschaftung –, oder weil sie die falschen treffen. Das gilt für die Erhöhung der Vergnügungssteuer, mit der wir ausgerechnet die Branche melken, die unter der Pandemie mit am stärksten gelitten hat.
Die Rasenmähermethode wiederum ist der maximal brutale Weg. Das würde bedeuten, jeder Kostenstelle im Haus pauschal ohne Rücksicht auf Verluste einen fixen Teil ihrer Mittel wegzunehmen. Es gibt Stellen in der Verwaltung, wo das einfach nicht funktioniert. Ich fürchte zudem, dass sich dieser Einschnitt manifestieren würde.
Ich bin aber froh, dass am Ende der Sitzung überhaupt Vorschläge zur Kompensation der fehlenden Mittel gemacht wurden. Keiner will die Grundsteuererhöhung, aber echte Alternativen wurden auch nicht aufgezeigt. Dafür maximaler Konfrontationskurs mit der Kommunalaufsicht. Wohin der führt, werden wir sehen. Ich halte es jedenfalls für eine gewagte Strategie, dem Verhandlungspartner vorher noch ans Bein zu treten.
Wie geht es jetzt weiter?
Darauf zu hoffen, dass die ADD ihre Verfügung ändert, ist realitätsfern. Und der Klageweg, den wir nun wahrscheinlich beschreiten werden, dauert Jahre. Darauf können wir nicht warten. Wir reden über den Haushalt von 2021!
Wir werden wohl oder übel nach dem Beschluss vom Montag den bestehenden Haushalt noch mal auf jeden Cent abklopfen und entsprechend anpassen müssen. Und zwar schnellstmöglich. Viel verspreche ich mir davon nicht. Der angepasste Haushalt muss dann vom Rat beraten und beschlossen und sodann der ADD vorgelegt werden. Am Ende steht die öffentliche Bekanntmachung der Haushaltssatzung. Erst dann haben wir eine Haushaltsermächtigung 2021.
Das wird wohl dauern bis Ende des Jahres. Eine lange Zeit, in der nicht viel gemacht werden kann. Diejenigen im Rat, die diese Entwicklung herbeigeführt haben, sollte man allen Ernstes fragen, ob das die beste Politik für die Stadt ist.
Autor/in: Matthias Thomas - Pressestelle
Kaiserslautern, 16.06.2021